Mittwoch, 21. September 2011

Wenn Permanenz zum Problem wird


"Das ist das Buch, das wir lesen werden", sagte unsere Französisch-Lehrerin, während sie stolz eine Ausgabe von "Das Phantom der Oper" präsentierte. "Und das gibt es auch als Hörbuch." Und so fing sie an die ersten französischen Begriffe auf das Whiteboard zu schreiben, gemeinsam mit den ersten Aufgaben, die wir bis Mitte Oktober erledigen sollten. "Ihr könnt sie auch gerne per Email einreichen", erklärte sie und schrieb ihre Email auf die rechte obere Ecke des Whiteboards. Und während sie mit französischen Begriffen und vergessen geglaubten Redewendungen um sich warf, verlängerte sich in meinem Kopf der Abstand zwischen Hören und Übersetzen beständig. Nach weiteren 20 Minuten war das Whiteboard vollgeschrieben. Die Lehrerin vom Französischen Institut in Madrid ergriff das Schwamm-artige Gerät, mit dem man Whiteboards wieder sauber kriegt, und fing an zu wischen. Nur leider verschwand das Geschriebene nicht. Das Problem: Über die ganze Zeit hatte die gute Dame mit permanenten Eddingstift geschrieben. Was folgte war eine authentische Lektion über die Anwendung französischer Kraftausdrücke in Alltagssituationen. Das Whiteboard interessierte das wenig. Es war ein für alle mal vollgeschrieben.


Da ich in einem Jahr in Paris weiter studieren werde, komme ich für die nächsten Monate in den kuriosen Genuss Französischunterricht auf Spanisch zu haben. Seit einigen Wochen lebe ich mit drei Franzosen zusammen (von denen einer gleichzeitig noch ein halber Kubaner und ein weiterer ein halber Deutscher ist) und bin somit einem beständigen französischen Redeschwall ausgesetzt. Dass ich mit ihnen jedoch nur Spanisch spreche, führt dazu, dass mein passiver französischer Wortschatz exponentiell steigt, während mein aktiver Wortschatz auf einem überschaubaren Niveau rumdümpelt. Aber dafür habe ich ja jetzt das Buch von Phantom der Oper, worüber ich mich mit meiner sympathisch-fluchenden Lehrerin austauschen kann.

Meine Universität, ESCP Europe, ist recht klein und so kenne ich schon fast alle meiner 64 Kommilitonen. Die Nähe zu Dozenten und Mitarbeitern ist gut, selbst Sekretärinnen begrüßen einen namentlich.

Einziger offensichtlicher Nachteil: Der mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen Spaniern. Meine Kommilitonen kommen aus Italien, Frankreich, Deutschland, Venezuela, Serbien. Lediglich eine Kommilitonin kommt aus Spanien. Ich hoffe, dass es nicht dazu führt, dass mein Spanisch einen französischen Akzent annimmt. Aber noch bleiben mir mindestens sieben Monate Zeit um Spanier kennenzulernen. Denn erst dann geht's in das Land, wo die Stifte nicht permanent sind und die Verwendung von Kraftausdrücken sympathisch macht.

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