Sonntag, 18. September 2011

Erkenntnisse an einem Sonntagmorgen

Es sollte ein normaler Abend werden. Ein Abend, der Spaß macht. Man geht raus, spaziert durch die verschachtelten Gassen Madrids, die mit Stühlen und Tischen vollgestellt sind, taucht in den Massen unter und genießt das sommerliche Madrid. Man bestellt irgendwo gute Tapas. Anschließend tingelt man weiter von Bar zu Bar, landet in einer Disco, hat viel Spaß. Um vier, fünf Uhr morgens spaziert man erschöpft nach Hause und bahnt sich seinen Weg durch die laut lachende, schwätzende Masse. Genauso war es auch gestern, ein wahrscheinlich recht typischer Abend. Bis wir vor unserer Wohnungstür standen. Und sie nicht öffnen konnten.


4:45 Uhr: Inzwischen hatten wir alle unsere jeweiligen Schlüssel ausprobiert, umgedreht, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Recht ungläubig standen wir vor der Tür. Noch nie hatten wir vier (inzwischen habe ich zwei zusätzliche Mitbewohner) gleichzeitig unser neues Domizil verlassen. Und noch nie gab es Anzeichen, dass die Tür klemmte oder nicht funktionierte. Wie hoch konnte die Wahrscheinlichkeit sein, dass sie genau dann nicht zu öffnen ist, wenn erstens alle vier von uns nicht in der Wohnung sind und es zweitens Sonntags früh ist, sodass wir weder Nachbarn noch Vermieterin noch sonst irgendjemanden um Hilfe bitten konnten? Angesichts dieser seltsamen Situation wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. 

Die Möglichkeit in die Wohnung zu klettern erübrigte sich. Sie befindet sich im zweiten Stock und alle Fenster waren geschlossen. Also verließen wir ratlos das Treppenhaus. 30 Minuten wiederholtes Schlüssel umdrehen, an der Tür rütteln, Kreditkarte und Führerschein zwischen Tür und Türrahmen hin- und herschieben halfen nichts. Großartig.

Wir hatten tatsächlich vor im Parque del Retiro zu schlafen, einem der schönsten Orte, die ich in Madrid bisher gefunden habe. Problem: er ist ab Mitternacht geschlossen. Aus Mangel an Alternativen traten wir trotzdem am Sonntag morgen um 5:15 Uhr die ca. 500 Meter zum Parque del Retiro an. Aber genau wie in meiner Erfahrung in Mexiko vor knapp über einem Jahr scheint auch in Madrid der Zufall die Regel zu sein. Denn wir trafen unverhofft eine Kommilitonin. Obwohl sie es uns zunächst nicht abgekaufte, dass wir vier Männer an unserer eigenen Tür gnadenlos gescheitert sind, erzählte sie uns, dass sie noch zwei Doppelbetten in ihrer Wohnung stehen hatte. Ich denke ich habe mich selten so darüber gefreut mir mit einem Typen das Bett zu teilen.

Nach einigen Stunden Schlaf dann die nächste Herausforderung. Anruf bei der Vermieterin an einem Sonntag um 9 Uhr. Und die Frau hat Haare auf den Zähnen. Ich erklärte, dass die Tür nicht aufging. Selten habe ich mich so unbeholfen gefühlt. Ich kam mir vor wie bei versteckter Kamera, während ich ihr unsere erfolglosen Versuche unsere Wohnung zu betreten, erklärte. 

Im Endeffekt hat es geklappt. Zahlreiche Telefonate später öffnete uns ein Not-Schlüsseldienst-Mitarbeiter gegen 11 Uhr die Tür. Es waren tatsächlich einige Elemente der Mechanik abgebrochen und blockierten die Tür. Das Maß an Peinlichkeit wäre nicht auszumalen gewesen, hätte der Mitarbeiter die Tür im Handumdrehen geöffnet. Wie hätten wir das der Vermieterin erklären sollen?

Aber diese Erfahrung hat mir drei Sachen gezeigt:

  1. Unsere Wohnung ist sicher. Sie ist sogar so sicher, dass wir manchmal selbst nicht reinkommen.
  2. Wenns drauf ankommt, setzt unsere Vermieterin die richtigen Hebel schnell in Bewegung. Sogar an einem Sonntag morgen.
  3. Es gibt Hinweise auf die globale Anwendbarkeit des Prinzips: Der Zufall ist die Regel.

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